|Erstveröffentlichung Mai ´20| Auf der spirituellen Suche begegnet uns oftmals die Aussage, unsere Ängste und Sorgen seien eingebildet. "Maya" ist in der indischen Philosophie der Begriff hierfür. Ähnliche Beschreibungen in anderen Philosophien beschreiben das Phänomen, dass wir uns unsere Welt durch die Kraft unserer Gedanken erschaffen. Ziel muss es natürlich sein, unsere Ängste zu überwinden, da diese erst unser Unglück schaffen.
Ich bin sicher, das ist wahr. Religionen und Philosophien sprechen seit abertausenden von Jahren in ähnlicher Form davon. In der Psychologie ist seit Jahrzehnten erforscht, dass wir wahrscheinlicher Ablehnung erfahren, wenn wir der Welt mit Misstrauen begegnen, dass seif-fulfilling-prophecys zu genau dem Ergebnis führen, das wir befürchten.
Im Gegenteil widerfährt mir Erstaunliches, wenn ich meine Ablehnung gegenüber Menschen und Situationen manches Mal überwinden kann und mir überraschend Positives widerfährt.
Alles klar, überwinden wir mal unsere Ängste und los geht es mit dem spirituellen Leben. In den sozialen Medien begegnet mir diese Aufforderung derzeit oft. Ich möge mich vom Virus nicht so ängstigen lassen, dass ich meine, Masken tragen zu müssen oder mich impfen zu lassen. Ich wäre ganz unspirituell, wenn ich mich unwidersprochen in Quarantäne begebe oder einem der Wissenschaftler*innen oder Politiker*innen zuhören würde, die versuchen den Bedrohungen durch das Virus beizukommen. Alles Angstmacherei, alles Maya!
Ok, denke ich, dann befolge ich diese Anleitung mal. Ich überwinde meine Angst und stelle mich auf das Gleis, auf dem der Zug gleich einfahren wird …
Ich bin übrigens Astrologin. Darüber denke ich in diesem Moment nach. Als Astrologin strebe ich nach Wissen, hätte nichts gegen Erleuchtung und weiß, Spiritualität ist in der Energie des Tierkreiszeichens Fische enthalten. In den Fischen liegt das Wissen um genau die Dinge, von denen ich eingangs sprach. Mit der FischeEnergie in unseren Horoskopen können wir vertrauen, wir sind unzerstörbar. Wenn Maya nicht wäre, könnte Fische voll ausleben, maximal selbstlos handeln und mich angstfrei dem Fluss des Lebens hingeben, mein Ego aufgeben (das gehört dazu, nicht vergessen).
Besser als ich sind da natürlich andere. Ordensschwestern geben ihr persönliches Leben auf, um in einem höheren Ziel aufzugehen. Pflegerinnen denken oft mehr an das Wohl ihrer Schützlinge, als an ihr eigenes. Der Dalai Lama steht jeden Tag zu unglaublich frühen Zeiten auf, um stundenlang zu meditieren und die Welt mit dieser Energie zu verbessern. Dank von Herzen an alle. Die sind alle definitiv viel weiter in den Fische-Themen Hingabe, Aufgabe der Selbstsucht und der Negativität.
Ich seufze und spüre unter mir langsam die Gleise vibrieren. Keine Angst, Elisabeth, Dir wird nichts passieren, keine Angst.
In der Astrologie ergänzen sich zwei im Kreis gegenüberliegende Zeichen immer perfekt. Wenn wir es schaffen, die Kräfte dieser beiden Zeichen gleichmäßig in
unser Leben zu lassen, vermeiden wir jeweils die unangenehmen Auswirkungen des anderen. Tolles System, die Astrologie, echte Lebenshilfe! Jungfrau liegt gegenüber von Fische. Wenn wir Jungfrau leben, sorgen wir uns um unser Leben. Wir gehen einkaufen, damit wir was im Kühlschrank haben. Wir säubern und verbinden unsere Wunden und die unserer Kinder, damit sich nichts entzündet. Wir unterscheiden zwischen dem, was uns nützt und halten uns so erfolgreich fern von Schädlichem. Im Extrem geht Jungfrau so weit, sich für alles selbst verantwortlich zu fühlen und kommt sehr in Stress damit, alle möglichen nur denkbaren Gefahren vorsorglich zu vermeiden. Zu viel Jungfrau in unseren Leben macht Sorgenfalten zwischen den Brauen, Magengeschwüre ob all der Ängste, was schief gehen könnte und vermutlich mitunter Bluthochdruck. Damit ist ganz klar: Maya! In Jungfrau liegt ein großes Stück von dem verborgen, womit ich mir mit meinen Sorgen und Ängsten eine sorgenvolle Welt erschaffe.
Während sich die Vibration der Gleise unter meinen Füßen steigert, frage ich mich, was zu viel Fische bedeutet.
Fische ist Vertrauen und Hingabe. Wird schon gut gehen! In Gottes Hand sind wir ja tatsächlich. Ohmmmmmmm. Wenn Vertrauen zu weit geht, vertraue ich natürlich auch jedem Betrüger, der es nicht gut mit mir meint, vielleicht ganz ohne Angst und voller Naivität. Ich putze mir morgens nicht mehr die Zähne, denn Ohmmmmmm, ich vertraue ja! Die Falten zwischen meinen Brauen beginnen sich zusammenzuziehen. Es ist also auch möglich, zu viel Fische-Energie zu entwickeln. Ich habe zwar gelesen, dass Menschen völlig angstfrei vor den Konsequenzen keine Nahrung mehr benötigen, sondern von Lichtenergie leben können. Kann ich jetzt nix zu sagen, habe ich nicht erlebt. Aber ob die dann auch ihre Zähne nicht putzen müssen?
Ich werde unruhig und überlege nochmal ganz fest: Jeder Mensch hat die zwölf Zeichen in seinem Horoskop. Warum hat jetzt das Universum, der liebe Gott oder wasweißichwer die Jungfrau gegenüber den Fischen positioniert? „Achtsamkeit“ tönt es da irgendwo in meinen Gehirnwindungen. Aus östlichen Weisheitsquellen fließt seit Jahren das Thema Achtsamkeit in unseren Alltag. Das ist JungfrauEnergie! Beachte, was Du mit Deinen Handlungen und Worten auslöst. Das will Jungfrau im besten Sinne in uns erreichen.
Zum Vibrieren unter meinen Füßen kommt jetzt der heranrasende Zug in mein Blickfeld und es geht ganz schnell. Ich muss diese Gedanken noch fertigdenken, kommt es mir in den Sinn und – ich hechte vom Gleis. Ganz hingegeben in das Schotterbett neben den vorbeitosenden Waggons, breitet sich ein Gefühl der Dankbarkeit (Fische) in mir aus. Dass ich überlebt habe (Jungfrau)! Ich kontrolliere meine Körperbestandteile (Jungfrau) und breche in unkontrolliertes (Fische) Lachen aus. Eine Art elysische (Fische) Freude (Fische) lässt meinen Körper (Jungfrau) vor Lachen beben und ich bleibe erstmal eine Weile liegen. Der Blick in den Himmel (Fische) gerichtet, freue ich mich, am Leben zu sein (Jungfrau).
Was, wenn zum Leben die JungfrauEnergie einfach dazugehören würde? Wenn wir im Leben niemals drumherum kämen, uns um unser Leben auch zu sorgen? Schlechtes zu vermeiden, Gutes zu suchen? Wenn es gar nicht darum ginge, absolut angstfrei zu werden? Sondern einfach um das richtige Maß?
Schließlich komme ich langsam wieder auf die Beine. Ich schüttle mir den Staub aus den Klamotten und atme durch. Puh, überlebt. Ich habe trotz Angst überlebt, denn ich bin vom Gleis gesprungen, gerade noch rechtzeitig! Bei den ersten langsamen Schritten fühlt sich mein Körper eigenartig lebendig und richtig gut an.
Wenig später finde ich mich in einem Café wieder und schlürfe meinen Chai-Latte mit Hafermilch. Gedankenverloren lasse ich meinen Blick schweifen. Kann man in diesem echten Leben Angst überwinden? Hilft es irgendwem oder der Welt im Allgemeinen, wenn ich postuliere, dass jemand nicht spirituell genug ist, wenn er oder sie die eigenen Ängste ernst nimmt? „Fürchte dich nicht!“ steht glasklar in der Bibel. Und ich möchte auch jeder, die auf einem Gleis steht, auf dem ein Zug heranrollt die Angst nehmen. Im Notfall aber ziehe ich die Person zuvor vom Gleis, das verspreche ich mir in die Hand.
Was hat mich zu diesem lebensgefährlichen Experiment gerade im Mai 2020 veranlasst? Ich las in den Sozialen Medien von lieben Menschen (die das beste für diese Welt wollen), ich solle mich vor C nicht ängstigen. Die Warner*innen konnten, wie wir alle, über C noch nicht wirklich Bescheid wissen. Ich habe das dann so verstanden, dass man sich einfach vor nichts fürchten soll. Ich hab ́s probiert.
Ich bin über den Ausgang des Experimentes, obwohl gescheitert, jetzt gar nicht so unglücklich. Irgendwie habe ich jetzt einen Plan für mein Leben, der sich besser anfühlt. Ich möchte besser aufpassen, was meine Worte bei anderen bewirken. Ich möchte achtsamer sein und sie nicht in neue Ängste stürzen (vor Politik, Wissenschaft, Impfstoffen, Pharmaindustrie, Bill Gates, ….). Vielleicht kann ich auch den einen oder die andere mal von seinem persönlichen Gleis holen und ihr dann versichern, sie solle sich nicht fürchten, sondern einfach besser aufpassen.
Achtsamkeit / JungfrauEnergie kann sein, Masken zu tragen, wenn man anderen nahe kommt, weil die anderen sich vor Ansteckung fürchten. Achtsamkeit kann sein, sich nicht impfen zu lassen, weil man seine eigene Angst vor Impfung respektiert, … kann sein, sich impfen zu lassen, weil man sich dann sicherer fühlt, … kann sein, Politiker genau zu beobachten, wie sie mit ihrer Verantwortung umgehen … kann sein, nicht alles hinzunehmen, was entschieden wird, … kann sein, andere nicht in Schubladen zu stecken oder als dumm zu bezeichnen, wenn sie nicht Deiner Meinung sind … Verantwortungsträgerinnen nicht unter Generalverdacht der Manipulation zu stellen.
Achtsamkeit ist nicht, andere darauf hinzuweisen, dass ihre Ängste keine Berechtigung hätten. Wir alle stehen auf unseren persönlichen Gleisen, solange wir auf dieser Erde wandeln.